Es lebte einst - vor langer Zeit
in einer Welt voll Dunkelheit,
fernab von jedem Menschenbild,
ein junges Mädchen - frei und wild.

Aus Stofffetzen ganz ungeniert,
nähte es doch raffiniert
in aller Seelenruhe
ein Paar rote Schuhe.

Eine reiche Frau, auf beiden Augen blind,
nahm zu sich das arme Kind.

Der Schuster ging zu jedem Kind
und machte schwarze Schuh geschwind
Dann musste zu den Feiertagen
einjeder schwarze Schuhe tragen.

Der Regelbruch ward nicht geseh‘n,
die reiche Frau war gänzlich blind
Die Kommunion so zu begeh’n
Mit roten Schuh’n – das darf kein Kind

Ihre Füsse, wie ihm Wahn,
fingen just zu tanzen an.

Ohne Rast und ohne Ruh
bewegten sich des Mädchens Schuh’
über Stock und über Stein
bis in den finst‘ren Wald hinein.

Dem Mädchen schwand die letzte Kraft
wollt’ nur dem Tanze widersteh’n,
die Schuhe führten dauerhaft
Kein Ende war mehr abzuseh’n

Als weit entfernt ein Schall erklang
Kam Hoffnung in dem Mädchen auf
Es zog sie hin, war’s ihr auch Bang
eins mit dem Schuh’n in raschem Lauf.

Aus ihrem Mund ein lauter Schrei,
doch ohne Füsse war sie frei.
Und wenn sie nicht gestorben ist,
dann lebt sie noch heute…


Ein Gedicht von Dominik Wolfinger